Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat ein Urteil, wonach die Polizei Personenkontrollen allein aufgrund der Hautfarbe durchführen darf, für wirkungslos erklärt. Polizei hat sich beim Kläger entschuldigt. Klägeranwalt spricht von einem Meilenstein.
Der Spuk ist vorbei. Verdachtsunabhängige Polizeikontrollen einzig wegen der Hautfarbe sind in Deutschland nicht erlaubt. Ein entgegenlautendes Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom Februar 2012 wurde am Montag vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) für vollständig wirkungslos erklärt (Az.: 7 A 10532/12.OVG). Die Bundesrepublik Deutschland entschuldigte sich beim heute 26-jährigen Kasseler Studenten für die polizeiliche Praxis.
Beamte der Bundespolizei hatten den Studenten im Dezember während einer Zugfahrt von Kassel nach Frankfurt/Main nach seinen Papieren gefragt. Warum ausgerechnet dieser Student kontrolliert wurde, offenbarte sich später. Vor dem Verwaltungsgericht gab die Bundespolizei offen zu, dass er aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe kontrolliert wurde.
Urteil entgegen dem Wortlaut des Grundgesetzes
Der Richter sah darin keinen Widerspruch zum Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes (Artikel 3). Darin ist unter anderem verankert, dass niemand wegen seiner Rasse benachteiligt werden darf. Entgegen diesem Wortlaut wurde der Polizei dennoch ausdrücklich das Recht zugesprochen, bei Stichprobenkontrollen in Zügen die Auswahl der anzusprechenden Personen nach dem äußeren Erscheinungsbild vornehmen zu dürfen.
Kritik kam von zahlreichen Menschenrechts- und Antidiskriminierungsverbänden. Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kritisierte das Urteil mit klaren Worten. Doch seit Montagnachmittag ist das Aufatmen groß. Wie ein Sprecher des OVG dem MiGAZIN mitteilte, habe die Richterin Dagmar Wüsch diese polizeiliche Praxis und das erstinstanzliche Urteil mit klaren Worten zurückgewiesen.
Polizeikontrollen nach Hautfarbe kein Einzelfall
„Ich bin froh, dass die Entscheidung des VG Koblenz für wirkungslos erklärt wurde. Wir haben lange dafür streiten müssen, dass sich die Bundespolizei auch an dem Diskriminierungsverbot messen lassen muss“, so der Kläger nach Abschluss der mündlichen Verhandlung. Sein Anwalt Sven Adam ergänzt: „Dieses Ergebnis ist ein Meilenstein für die juristische Einordnung des so genannten Racial Profiling als rechtswidrig. Dieses Verfahren hat weitreichende Signalwirkung für die Praxis der Bundespolizei.“ Davon ist auszugehen. Wie Richter Stahnecker feststellte, werde das Urteil eine bestimmte, direktive Wirkung für zukünftige Fälle haben.
Das erhofft sich vor allem die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD): „Seit Jahren kämpfen wir für eine öffentliche Wahrnehmung dieser Praxis. Polizeikontrollen dieser Art sind kein Einzelfall. Sie beschreiben die Alltagserfahrung vieler schwarzer Menschen und People of Color in Deutschland. Durch die polizeiliche Praxis werden sie als Verdächtige gekennzeichnet und kriminalisiert. Wir hoffen daher auf ein grundsätzliches politisches Signal durch dieses Urteil“, sagt Tahir Della, Vorstandsmitglied der ISD.
Die Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG), Vera Egenberger, die den Kläger und das Verfahren mitbegleitet hat, erhofft sich eine „nachhaltige Änderung“ der zukünftigen Polizeiarbeit. „Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes muss ein zentraler Aspekt der Polizeiarbeit sein“, so Egenberger nach der Verhandlung. (es)
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